Philosophy of Science

The study of the development of scientific thinking is mostly historically orientated. Another approach is the epistemological models in the humanities and in recent decades the old brain-mind discussion has been taken up again in a new way with neurobiological findings (2008). What is currently successfully established as artificial intelligence (AI) in technical contexts also has a speculative branch that fantasizes about superintelligence and post-human intelligence that is superior to humans.
The work cited here was produced as part of my lectures on the philosophy of science for natural scientists and in the context of lectures at the German Society for the History and Theory of Biology, the Lichtenberg Society and the Ernst Bloch Association. These works also have a connection to medicine, especially with the examples. A manuscript, Artificial Neural Networks and the Category of the Living. Evolution of Self-Organizing Matter, in progress is based on more recent lectures on AI at the DGGTB and INSTAND ev.

Publikationen

Reiber H (2023 dtsch, 2024engl.) Cerebrospinal fluid diagnostics in Neurology. Paradigm change in Brain Barriers, Immune system and Chronic Diseases (Springer, ISBN 978-3-662-68839-7)
Reiber H (2017). Genetisches Programm und Selbstorganisation stabiler Form. Die zwei Hirnhälften und Jahrtausende Koexistenz kontroverser Sicht der Welt. In: Kaasch (Hg.). VWB-Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin, Bd. 19. S. 189-213
Reiber, H (2017) Wissenschaft und Gesellschaft in der DDR und BRD. Ein Vergleich mit Beispielen aus der Biologie und Medizin. In: Kaasch et al (Hg.). VWB-Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin, Bd. 20. S. 151-178
Reiber H (2016). Liquordiagnostik in Deutschland nach 1950. Entwicklungen im Kontext von Wissenschaft und Gesellschaft in DDR und BRD. Nervenarzt 87:1261-1270
Reiber H (2012). Epigenesis and epigenetics- understanding chronic diseases as a selforganizing stable phenotype Neurol. Psych. Brain Res. 18: 79-81
Reiber H (2012). Komplexität und Selbstorganisation stabiler biologischer Gestalt in Epigenese und Evolution – Von der genozentrischen zur phänozentrischen Biologie. In: Kaasch, et al (Hrsg.). Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Berlin: VWB. Bd. 17, S. 37 – 80
Reiber H (2008). Von Lichtenbergs „Gespenst“ zur Emergenz der Qualität. Die neurobiologische Hirn-Geist-Diskussion im Licht der Komplexitätswissenschaft. In: U.Joost und A.Neumann (Hrsg) Lichtenberg Jahrbuch 2008, S.65-93
Reiber H (2007) Die Komplexität biologischer Gestalt als zeitunabhängiges Konstrukt im Zustands-Raum. Zum naturwissenschaftlichen Umgang mit Qualitäten. In: Doris Zeilinger (Hg): VorSchein, Jahrbuch der Ernst-Bloch- Assoziation, Antogo Verl. Nürnberg, S. 39-61
Reiber H (1998). Die Entstehung von Form und Krankheit. Selbstorganisation oder genetisches Programm – zwei Paradigmen im Widerstreit. In: Engels, Junker & Weingarten (Hrgb). Ethik der Biowissenschaften. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin, S. 393-410.
Reiber H, Davey B (1996). Desert-storm-syndrome and immunization. Arch Internal Med 156:217.

Themenkatalog

Paradigmenwechsel

Die in meinem Fachgebiet, der klinischen Neurochemie, offensichtlichen theoretischen Defizite, wie mangelnde Akzeptanz für Immunologische Netzwerkmodelle oder fehlende Behandlung nichtlinearer komplexer Systeme, hat mich schon früh beschäftigt (ref.1996, 1998). Das hatte ursprünglich rein praktische Gründe weil davon eine adäquate Interpretation von Patientendaten abhing. In einer aktuellen Arbeit (Springer 2024) habe ich dies im Detail aufgezeigt. Dabei habe ich auch die grundlegende wissenschaftstheoretische Frage thematisiert, warum so relevante Paradigmenwechsel nicht nur Jahrzehnte sondern auch Jahrhunderte brauchen wenn sie überhaupt stattfinden (s. 2017).
So sind die Vorstellungen von der biologischen Entwicklung der Form und der Evolution der Organismen seit Jahrtausenden kontrovers. Das führt zur Frage nach der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und zur Frage was Wissenschaft sei oder wie sie zu arbeiten hätte. Unter der klassischen reduktionistischen Vorgehensweise seit Descartes leidet die heutige Wissenschaft immer noch bis hin zur neuesten Entwicklung der AI mit reduktionistischer digitaler Repräsentation der Welt. Eine Vielzahl von Wissenschaftstheoretikern haben kritische Kommentare dazu hinterlassen, wobei ich mich auf die naturwissenschaftlich Relevantesten beziehe.

Wissenschaftstheoretische Modelle

Das Kuhn‘sche Modell der Wissenschaftsgeschichte, im Sinne eines von Karl Popper eingebrachten Falsifikations-Konzeptes und folgendem Paradigmenwechsel, ist in der Praxis sicher eine seltene Ausnahme. Der Wissenschaftsphilosoph Imre Lakatos verwarf sogar diese Auffassung, dass Theorien ganz aufgegeben werden müssen, wenn sie falsifiziert, d.h. von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt wurden, als „naiven Falsifikationismus“. Ein wichtiges Argument von ihm ist, dass es keine reinen Daten gibt, die nur aus Beobachtung bestehen. Jedwede Beobachtung ist nur möglich, weil ihr eine Theorie zugrunde liegt. Kurz gesagt: Auch eine Falsifikation kann falsch sein. Sein Freund, Paul Feierabend, der Anarchist unter den Wissenschaftstheoretikern, meint gar, es gäbe keinen systematischen Weg, um zu erkennen, was richtig oder falsch ist. Er formuliert: „Und wo Argumente doch eine Wirkung zu haben scheinen, da liegt es öfter an ihrer physischen Wiederholung als an ihrem semantischen Gehalt. Hat man einmal soviel zugestanden, so muss man auch die Möglichkeit nicht argumentbedingter Entwicklungen beim Erwachsenen wie auch bei den Institutionen wie Wissenschaft, Religion, Prostitution usw. zugeben“ (Wider den Methodenzwang, Suhrkamp,1995,S.23).
Das sind systemimmanente, theoretische Betrachtungsweisen. Einen völlig anderen Begründungszusammenhang finden wir im gesellschaftlichen Kontext durch Michel Foucault. Er hat die unbewussten Grundeinstellungen der wissenschaftlich Tätigen in Abhängigkeit von Gesellschafts-, Arbeits- und Machtstrukturen in der Geschichte seit der Renaissance untersucht. Wir können dies als praktizierende Forscher auch heute direkt nachvollziehen, dass sowohl die Wahl der erforschenswerten Gebiete, als auch die Akzeptanz für die daraus erzielbaren Ergebnisse, von der Finanzierung durch die Gesellschaft, den politischen Bedingungen und dem Zeitgeist abhängen (s.a. 2016,2017).
Damit ist aber immer noch nicht erklärt wie eine alle Gesellschaftssyteme überdauernde Existenz der Kontroversen zustande kommt. Ich habe dies (Reiber 2017), am Beispiel der Geschichte der Entwicklungs- und Evolutionsbiologie seit Aristoteles und Platon, dargestellt, wie eine über Jahrtausende dauernde, parallele, unbeirrte Fortführung von zwei konkurrierenden Erzähltraditionen aussieht.

Die Zwei Welten des Gehirns

Mit der zunehmenden neurobiologischen Erkenntnis wird klarer, dass die Problematik mit der Wahrheitsfindung kein wissenschaftliches, auch kein ursächlich gesellschaftliches Problem ist, sondern mehr mit einer besonderen Funktion unserer Gehirne zu tun hat. Mit der funktionalen Lateralisierung der beiden Hirnhemisphären kreieren wir die konkurrierende Welterfahrung bereits in uns selbst (s.2017). Wir brauchen und nutzen für alle unsere Funktionen (Sprache, Kunst, Mathematik) beide Hirnhälften. Beide Hirnhälften sind aber strukturell wie funktional verschieden. Die meist linke Hirnhälfte sucht nach dem, was sie schon kennt und was in ihre vorhandenen Vorstellungen, das bereits Gelernte, passt. Die andere, die rechte Hirnhälfte, sucht nach allem, was neu ist, und verarbeitet auch komplexeste Zusammenhänge. Diese Hirnhälfte träumt und trägt zu gestalterischen, räumlichen Vorstellungen bei und ist auch wichtig für die Emotionen. Diese Asymmetrie des Hirns ist stammesgeschichtlich alt und bei allen Vertebraten zu finden.
Diese verschiedenen Aufmerksamkeiten der beiden Hirnhälften führen letztlich zu diesen verschiedenen Konstrukten, Bildern, Ideen über die Welt, zu verschiedenen Realitäten, die widersprüchlich, unverträglich oder paradox erscheinen können (Reiber 2017).
Dieser neue Aspekt der Wissenschaftstheorie und Interpretation der Wissenschaftsgeschichte ist im letzten Jahrhundert am Beispiel der Genetik, Epigenetik und materiellen Selbstorganisation physikalischer, biochemischer und biologischer Strukturen, Funktionen und Emergenz von Qualitäten besonders sichtbar geworden(s. Referenzen).